Der Top-Skill der Zukunft wird, gemäss einer Studie des World Economic Forum, die Kreativität sein. Sie ist der Gegenpol zur künstlichen Intelligenz. Das bedeutet: Wenn wir unsere Kinder kreativer machen, dann machen wir sie auch bereit für die Zukunft.
In meinem Beruf habe ich die Aufgabe, professionell Kreativität zu erzeugen. Mein Job ist es, etwas salopp formuliert, auf Knopfdruck kreativ zu sein und Lösungen zu bieten. Zu meinem Profil gehört auch, eine komplette Organisation bestehend aus knapp 130 Menschen kreativ zu machen.
Keine andere Frage wird mir diesbezüglich so oft gestellt wie diese hier: «Kann man Kreativität erlernen?». Und dann schiesst es jedes Mal freudig aus mir heraus: «Na klar, das ist sogar ziemlich easy.» Und auch die Reaktion auf die Antwort ist jedes Mal die gleiche. Verwunderung. Man rechnet insgeheim damit, dass ich sage «Natürlich nicht. Kreativität ist etwas Magisches. Eine Gabe, mit ihr wird man geboren oder nicht.» Alles völlig falsch. Wagen wir doch mal einen Vergleich. Kann ich jedem Kind beibringen, wie man Fussball spielt? Sicher doch. Kann ich jedem Kind beibringen, wie man Geige spielt? Klar. Man kann ja auch jedem Kind Mathe oder Bio beibringen. Und genauso verhält es sich auch mit der Kreativität. Man kann Kreativität erlernen und man kann jeden Menschen kreativer machen. Genauso wie ich jedem Kind zeigen kann, wie man Klavier spielt. Und dann passiert das, was in allen anderen Bereichen auch passiert: Nicht aus jedem Kind, das etwas erlernt, wird direkt ein Genie. Nicht jedes Kind, obwohl es viel Klavier geübt hat, wird der neue Lang Lang. Aber es kann Klavier spielen. Meine These lautet: Man kann Kreativität lehren, lernen, fördern und fordern genau wie man es bei jedem anderen Fach oder bei jeder anderen Disziplin auch machbar ist. Das Genie entwickelt sich dann von selbst, durch Eigenmotivation, durch die Freude an der Sache, durch pure Leidenschaft. Wer Geige spielen liebt, der übt stundenlang und wird grossartig darin. Wer Kreativität liebt, übt, und täglich trainiert, wem das Erschaffen Glücksgefühle beschert und wer immer wieder schöpferisch tätig sein will, der wird dann auch zum Superkreativen.
Kreativität ist also ein Skill, denn man erlernen kann. Diese Basis braucht zukünftig jeder – es wird das neue 1×1, etwas überspitzt formuliert. Denn kreative Köpfe können nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Fakt ist: Den Kreativen gehört die (berufliche) Zukunft. 800 Millionen Jobs, mehrheitlich die, die keine Kreativität verlangen, werden weltweit zukünftig von Maschinen, Programmen und Robotern erledigt. Skills werden also viel wichtiger als Wissen. Und ganz nebenbei: Das Wissen der Welt haben sie in 0.00000000001 Sekunden abrufbar auf Ihrem Handy.
Wenn das alles bekannt ist, warum unterrichten wir dann nicht auch Skills? In die Praxis umgesetzt: Warum sind kreative Skills noch kein relevanter Bestandteil des Lehrplans? Eine gute Fehlerkultur, Teamfähigkeit, Lösungsorientiertheit oder das Anwenden von Kreativitätstechniken werden wenig bis überhaupt nicht gefördert. Fehler werden beispielsweise durch schlechte Noten bestraft. Da hängt unser System noch fest, wo wir doch heute schon in Berufen eine gute Fehlerkultur und agiles, kreatives Arbeiten ausloben.
Momentan bilden wir unsere Kinder immer noch zu Normmaschinen aus. Der Lehrplan ist eine Norm. Noten definieren die Norm. Alles unterwirft sicher der Norm. Aber im Job loben wir dann die, die die Norm brechen können. Ist das nicht schräg?
Kreativ sein bedeutet, in komplexen Situationen Lösungen entwickeln zu können. Es bedeutet, experimentierfreudig sein, die Norm verlassen zu können, um so auf völlig neue Sichtweisen zu kommen. Kreativität ist nicht nur den vermeintlich kreativen Berufsbildern vorbehalten. Kreativität, Eigensinn und Querdenken machen in jedem Beruf erfolgreich.
Kommen wir mal zum Kern der Sache: Was heisst es eigentlich Kreativität zu lehren und als Skill zu erlernen? Meines Erachtens lautet die Antwort darauf: Kreativität erlernen heisst erschaffen lernen. Wir müssen Kinder ständig erschaffen lassen und sie dabei begleiten. Sie müssen sich an den Prozess der Kreativität gewöhnen, sie müssen die Lust am Erschaffen gewinnen, sie müssen den schöpferischen Prozess per Knopfdruck auslösen können. Nichts anderes mache ich auch in meinem Job: Ich lasse Menschen diesen Prozess immer wieder durchlaufen. Immer und immer wieder. Und dann entsteht das Geniale, das Hochkreative, die Magie.
Kreativitätstechniken wie beispielsweise der „Wechsel der Perspektive“ können geschult werden, auch bei Kindern. Bei dieser Technik wird ein Problem gestellt und es gilt dabei, nicht die eine Lösung zu finden, sondern derer gleich 20. Wie würde ein Kind das Problem lösen? Wie ein Erwachsener? Wie eine Frau? Wie ein Mann? Wie ein Comedian? Wie ein Rowdy? Wie ein Professor? Und schon öffnet man das Denken. Man schult die Offenheit und das Einnehmen anderer Blickwinkel. Heutzutage arbeiten wir an Schulen immer nur auf die eine richtige Lösung hin, dieses Element würde lehren, dass man Rom über viele Wege erreichen kann. Und das ist nur eine von vielen verschiedenen Kreativitäts-Techniken, die aber in jedem Fach anwendbar wären. Viele weitere wunderbare Techniken wie «Mach genau das Gegenteil», «Finde die falscheste Lösung», «Entwickle eine Metapher», «Sag es mit einem Bild» würden Bestandteil des Unterrichts werden. Sie spüren sicher, kreative Elemente passen in jedes Fach. Oder warum nicht gleich das Fach Kreativität ins Leben rufen? Wäre doch grandios, wenn sich die Bildungswelt fragen würde: «Wer hat`s erfunden?». Ist doch klar: Die Schweizer sind die, die Kreativität lehren.
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